FDF DachNews - Ausgabe 3/2019

5 4 Einer meiner Nachbarn ist Dachdecker und betreibt seit über 20 Jahren erfolgreich einen Dachdeckerbetrieb. In den letzten Jahren aller- dings mit immer weniger Freude. Die Ursa- chen dafür? Auf der einen Seite Kunden, die Wochen später zahlen oder erst dann, wenn man mit dem Anwalt droht. Auf der anderen Seite: andauernd kranke Mitarbeiter. Kein Wunder, dass er manchmal überlegt, drastische Änderungen vorzunehmen: „Ich träume davon, den Laden nur mit den zwei bis drei guten Alt- Gesellen zu machen. Dann hätten wir produk- tive Tage, würden gut verdienen und ich hätte weniger Ärger.“ Leider sind wir aber nicht bei Wünsch-dir-was, sondern in der manchmal ziemlich harten Rea- lität: Klar, die Arbeit ist kein Zuckerschlecken und körperlich anstrengend. Die größte Herausforderung: Das Dachdeckerhandwerk hat ein Imageproblem. Alle brauchen Dachde- cker, aber kaum jemand will den Job machen. Für viele Jugendliche ist bereits während der Schulzeit klar: Sie wollen studieren oder in der Industrie oder Verwaltung arbeiten. Hauptsa- che bequemer Bürojob. Wer will sich heute noch die Hände schmutzig machen und bei Wind und Wetter draußen arbeiten. Eine Einstellung, die ihre Wurzeln in der Erzie- hung hat. Die große Mehrheit der Eltern hat heute das Gefühl, beim „Projekt Kind“ ver- sagt zu haben, wenn Tochter oder Sohn nicht studieren, sondern Bäckerin oder Dachdecker werden. Andere Zeiten, andere Denkweisen. Früher waren die Eltern stolz, wenn die Kinder ein ordentliches Handwerk erlernt und einen sicheren Job in der Tasche hatten. Dabei ist es genau das, was das Handwerk auch heute noch ermöglicht: Gebaut wird immer, während gro- ße Konzerne bei einem wirtschaftlichen Durchhänger im Handumdrehen tausende Stel- len streichen. Durchhalten? Fehlanzeige! Der Haken an der Sache: Die jüngere Genera- tion, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommt, hat ein völlig anderes Verständnis von Arbeit als wir. Und weiß mit Anfang 20 meist nicht so richtig, was sie von Job und Berufswelt gene- rell zu erwarten hat. Oft ist die Ausbildung oder der Job nach dem Studium der erste Kon- takt mit der Arbeitswelt überhaupt. Das kann schon mal zu Überforderung, Desorientierung und wirklichkeitsfremden Erwartungen führen – sehr zum Leidwesen der Arbeitgeber und Kollegen. Aber was ist Arbeit überhaupt für die „Generation Young“? Es ist für sie in erster Linie eine flexible, ergebnisorientierte Hand- lung zur Selbstverwirklichung – und nicht mehr die bisweilen mühsame Pflicht, um das eigene Überleben und das der Nachkommen zu sichern. Die Folge: Arbeit soll Spaß machen, das Geld sollte auch passen – und alles mög- lichst gechillt ablaufen, damit man sich nicht überanstrengt und noch genug Zeit für Freun- de, Familie und Freizeit bleibt. Prallen diese Erwartungen und die nackte Rea- lität aufeinander, kommt es schnell zu Reaktio- nen, die die Trotzanfälle eines Dreieinhalbjäh- rigen an der Supermarktkasse in den Schatten stellen. Hier eine kurze Anekdote, die mir ebenfalls ein Bekannter mit auf den Weg gege- ben hat: Durch den Umzug einer Familie wechselt der Auszubildende seine Stelle als Dachdecker im zweiten Lehrjahr. Hoffnungs- voll und offen wird er gerne ins Team aufge- nommen. Nach 14 Tagen kündigt er. Grund: Er könne das Geschrei des Chefs nicht ertragen. Schöne neue Arbeitswelt. Aliens sind unter uns! Kein Wunder, dass die „jungen Wilden“ so manchem Ü35-Chef wie Wesen aus einer fremden Galaxie vorkommen. Doch bevor Sie anfangen, sich über die mangelnde Arbeitsmo- ral und die weltfremden Vorstellungen zu echauffieren, möchte ich eins geraderücken: Es ist nicht die „Schuld“ der jungen Menschen, sofern man hier überhaupt von Schuld spre- Azubi verzweifelt gesucht! Der Generationen-Clash MANAGEMENT Fehlende oder wenig geeignete Auszubildende werden von immer mehr Dachbau- Betrieben beklagt. Die junge Generation ist nicht motiviert und will sich die Hände nicht mehr mit Handwerk schmutzig machen, so der Vorwurf vieler Chefs. Richtig und falsch, sagt unser Autor Michael Lorenz. Der Managementberater, Motivati- onstrainer und Fachbuchautor hat für uns den Generationen-Clash im Bedachungs- Handwerk analysiert und erklärt, wie alt und jung ein erfolgreiches Team werden. chen kann. Die Schulabsolventen und Azubis, die jetzt auf die Wirtschaft losgelassen werden, sind von völlig anderen Einflüssen geprägt als die Generationen vor ihnen. Digitalisierung, Helikopter-Eltern und eine immer komplexere Umwelt haben bei ihnen ein völlig neues Wer- tesystem generiert. Hinzu kommt oft ein star- kes Gefühl der Verunsicherung, das den jungen Menschen zu schaffen macht: Weil sich die Welt so schnell verändert, steht ihre Generation vor vielfältigen, teilweise widersprüchlichen und bisher unbekannten Herausforderungen. Sie treffen auf eine Arbeitswelt, deren Spielre- geln sie bisher nicht kennengelernt haben. Doch während frühere Generationen einfach die Ärmel hochgekrempelt und losgelegt haben, verfallen die Jugendlichen von heute manchmal regelrecht in eine Schockstarre. Auch wenn sie auf den ersten Blick selbstsi- cher erscheinen, sind sie im Innern oft voller Ängste, Zweifel und fühlen sich überfor- dert. Die Auswirkun- gen dieser Entwick- lungen zeigen sich in Situationen wie der folgenden, die wirk- lich so geschehen ist: Der Azubi will nicht so richtig. Er kommt morgens öfter zu spät und ist lustlos bei der Sache. Abends wird aber natürlich auf die Minute genau der Fei- erabend eingeläutet. Ein erstes ernstes Gespräch, zwei weite- re folgen. Beim vierten ist der Vater dabei. „Du hast doch gar kei- ne Lust“, wird er vom Chef konfrontiert. „Ja“, gibt er unum- wunden zu. Er habe gar keine Lust auf die Ausbildung. Auch, weil alles so extrem anstrengend wäre. Ihm wird letztendlich ange- boten, den Ausbil- dungsvertrag zum Ende des Monats auf- zulösen. Dann bekom- me er noch die volle Ausbildungsvergütung für einen Monat und hätte Zeit, sich etwas Neues zu suchen. Dank- barkeit? Nö. Stattdessen. „Och, Mist. Morgen wollte ich eigentlich mit den Kumpels ins Schwimmbad!“, ist sein einziger Kommentar. Der Rest ist Schweigen. Viele Väter hätten sich früher geschämt. Und Führungskräfte schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. Denn ein Einzelfall ist dieses Verhalten beileibe nicht. Die Folge: Fachkräftemangel und Nach- wuchssorgen in so gut wie allen Branchen, besonders im Handwerk. Deutschland, wo sind deine Handwerker ? Mit dieser Headline machte die ZEIT bereits im November 2017 auf die prekäre Lage auf- merksam. Und die aktuellen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im vergangenen Jahr gab es gerade einmal 6.651 Lehrlinge im Dachdeckerhandwerk – Vor 20 Jahren waren es mit 15.169 noch mehr als doppelt so viele. Und damit nicht genug: Rund ein Viertel der Jugendlichen brechen laut dem Berufsbil- dungsbericht der Bundesregierung ihre Ausbil- dung bereits frühzeitig ab. Die Folge: Viele Handwerker schrumpfen sich auf eine kleinere Betriebsgröße zurück, weil sie einfach keine Leute in der benötigten Qualität mehr finden. Langfristig gese- hen kann und darf das natürlich keine Lösung sein. Was aber können Unternehmer tun, um lernwillige Azubis zu finden – und vor allem auch langfristig zu halten? Entscheidend ist natürlich, erst einmal das Interesse der „Gene- ration Young“ zu wecken. Was viele wahrscheinlich gar nicht wissen, da sie so auf Bürojobs mit konstant geregelter Raum- temperatur getrimmt sind: Der Job als Dachdecker ist enorm vielseitig. Und sind wir mal ehr- lich: Ist es nicht deutlich span- nender, gesichert an einem Kirchturmdach in luftiger Höhe zu arbeiten, als Excel-Tabellen zu formatieren? Wichtig ist, den jungen Mitarbeitern in spe ein realistisches Bild dessen zu ver- mitteln, was in der Ausbildung auf sie zukommt. Denn es sind vor allem enttäuschte Erwartun- gen, die zu Frustration und damit schnellen Kündigungen führen. Wie wäre es also mit Probearbeitstagen? Oder Koope- rationen mit Schulen, um an Berufsorientierungstagen junge Ausbilder im Handwerk von ihrem Job berichten zu lassen und Fragen zu beantworten? Was außerdem nicht außer Acht gelassen werden darf: Die jun- gen Menschen von heute lassen sich vor allem von ihren Eltern in Sachen Zukunftsplanung beraten. Es muss daher Ziel des Dachdecker- handwerks sein, diese bei der Nachwuchswer- bung direkt zu erreichen Was Sie als Führungskraft auf dem Schirm haben sollten: Ihre zukünftigen Azubis wünschen sich vor allemAufmerk- samkeit, Fürsorge, Mitsprache, regelmäßi- ges Feedback sowie Struktur, Anleitung und klar definierte Ziele. Auch wenn es sich für Sie komisch anfühlt – hier ist von Ihrer Seite Umdenken und Entgegenkom- men gefragt. Respekt: „Ich lasse mir von den Grünschnäbeln doch nicht auf der Nase rumtanzen, schließlich habe ich schon Heizungen eingebaut, bevor sie geboren worden sind!“ Ein klarer Fall: Die Regel „Alter gleich Respekt“ greift heute nicht mehr. Der Chef wird hinterfragt, Hie- rarchieebenen werden durchbrochen. Ärgern Sie sich nicht darüber – sondern erobern Sie sich den nötigen Respekt zurück! Spielen Sie Ihr Wissen aus, sprechen Sie Dinge an, die sich andere nicht trauen und zeigen Sie, wie’s gemacht wird. Leistung und Performance sind das, was heute bei den jungen Leuten zählt. Motivation: Ein simpler Arbeitsauf- trag reicht heute nicht mehr aus. Um motiviert am Ball zu bleiben, wün- schen sich die „jungen Wilden“ einen tieferen Sinn. Es gilt daher, die Aufgabe in einen grö- ßeren Gesamtzusammenhang einzuordnen. Zeigen Sie Ihren Azubis, welchen Anteil ihre Arbeit am großen Ganzen hat. Gerade hier hat das Handwerk echte Vorteile. Schließlich ist Tag für Tag ersichtlich, wie ein Gebäude sich seiner Fertigstellung nähert. Feedback: Keine Rückmeldung heißt „Alles ok“ und „Nicht geschimpft ist genug gelobt“? Mit dieser Mentalität kommen Sie heute nicht mehr weiter. Ihre Azubis brau- chen Feedback als haltgebenden Rahmen! Geben Sie ihnen daher am besten regelmäßig kurze Rückmeldungen. Erkennen Sie erbrachte Leistung an, erläutern Sie Verbesserungspoten- zial anhand konkreter Beispiele und haben Sie stets ein offenes Ohr für Fragen. Mitsprache: Möglichkeiten zur Ent- faltung und Orientierung sind essen- zielle Kernthemen für die junge Gene- ration. Sie wünschen sich, dass sie in Entschei- dungen miteinbezogen werden und möchten eigene Vorlieben in die Arbeit miteinfließen lassen. Lassen Sie Ihre potenziellen Auszubildenden also wissen, dass sie schnell weitgehend selbst- ständig mit Kollegen im Team arbeiten und wie vielfältig der Beruf des Dachdeckers ist! Denn es geht schließlich nicht nur um den Bau unter- schiedlicher Dachformen wie Flach- oder Steildach, dazu gehören genauso Themen wie Wanddämmung, Balkonabdichtung, Solar- thermie oder Photovoltaik. Informieren Sie, damit Bewerber von Anfang an wissen, dass sie die Möglichkeit haben, sich im dritten Lehrjahr nach eigenen Vorstellungen und den Möglichkeiten im Betrieb zu spezialisieren. Letztendlich kommt es bei der Führung jun- ger Mitarbeiter heute vor allem auf eines an: sich selbst treu zu bleiben. Bleiben Sie klar und berechenbar, leben Sie Ihre Überzeugun- gen vor – und schauen Sie nach vorn anstatt dauernd zurück. Die „gute alte Zeit“ wird nicht wiederkommen. Aber Sie haben es in der Hand, Ihren Betrieb in eine gute Zukunft zu führen. Indem Sie zu der Identifikations- figur werden, die junge Menschen im Berufsleben so dringend brauchen und suchen. Dann klappt es auch mit den Azubis. So erreichen Sie die junge Generation: Neues Führungsverhalten entwickeln MANAGEMENT Der Autor: Michael Lorenz ist Geschäftsführer, Managementberater, Trainer und Coach bei der grow.up. Managementbera- tung GmbH. Seine Schwerpunkte liegen in Trainings und Workshops für Manager und Führungskräfte in den Themenfeldern Management, Führung, Vertrieb sowie in der Konzeption, Implementierung und Projektlei- tung bei Personalentwicklungsprojekten. Buchtipp Sabbatjahr mit Mitte 20, gechillte 35-Stunden-Woche und kostenfreie Bio-Smoothies für alle – aber bitte bei bestem Gehalt. Klingt utopisch? Mit Forderungen wie diesen schla- gen Mitglieder der Generation Z heute in Unternehmen auf und sor- gen schon bei Menschen ab Mitte 30 für Kopfschütteln. Wie ticken die „jungen Wilden“? Was erwarten sie von Arbeitgebern? Und wie bringt man sie an die Arbeit? Antworten darauf liefert Manage- mentberater Michael Lorenz in sei- nem neuen Buch „Generation Young“: Er legt mit charmanter Klarheit den Finger in die Generatio- nen-Wunde, deckt die „Schrullen“ der Jugend mit einem Augenzwin- kern auf – und wirbt vor allem für Verständnis, Offenheit und einen klugen Umgang miteinander. 1. 2. 3. 4. Die Koalition hat sich auf der 4. Sitzung des Klimakabinetts auf einige zentrale Klima- schutz-Maßnahmen geeinigt. Vor allem die seit Jahren vom Handwerk geforderte steu- erliche Förderung bei energetischen Sanie- rungen wird vom Zentralverband des Deut- schen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) begrüßt: Bei selbstgenutztem Eigentum soll diese ab 2020 in Ergänzung zur bereits bestehenden Förderung eingeführt werden. Durch einen Abzug von der Steuerschuld wird gewährleistet, dass Gebäudebesitzer aller Einkommensklassen gleichermaßen profitieren. Gefördert werden alternativ zu bisherigen Förderprogrammen auch Einzelmaßnahmen, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als förderwürdig eingestuft werden. Dazu zählen zum Beispiel der Einbau neuer Fenster sowie das Dämmen von Dächern und Außenwänden. Wer beispielsweise alte Fenster durch moderne Wärmeschutzfenster ersetzt, kann seine Steuerschuld – verteilt über 3 Jahre – um 20 % der Kosten mindern. Mit der neu konzipierten „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) sollen die bestehenden Förderprogramme im Gebäude- bereich gebündelt und inhaltlich optimiert werden. Es genüge dann, einen Antrag für Effizienzmaßnahmen und Erneuerbare Ener- gien einzureichen. Weiterhin wird eine Erhö- hung der Mittel in Aussicht gestellt. Um die unterschiedlichen Effizienzhausstufen bei Wohngebäuden zu erreichen, sollen bei umfas- senden Sanierungen die bisherigen Fördersät- ze um 10 Prozent-Punkte erhöht werden. ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk kommen- tiert: „Endlich wird die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung eingeführt. Die vorge- stellten Maßnahmen setzen die richtigen Anreize, sofern sie denn zügig und verläss- lich umgesetzt werden.” Klimapaket: Steuerliche Förderung für Immobilien Bild Fotolia, strichfiguren.de “Die jüngere Genera- tion, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommt, hat ein völlig anderes Verständnis von Arbeit als wir.“

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