FDF DachNews - Ausgabe 2/2024

3 2 INTERVIEW haben sogar einen Neukundenstopp ausgerufen. Das Wort habe ich so oft gehört und davor gewarnt. Wer sowas als Chef sagt, was kommt dann bei den Mitarbeitenden an? Das rächt sich nun in Zeiten mit weniger Umsatz. Aber was soll man denn tun, wenn die Nachfrage nicht mehr zu bewältigen ist? Ich habe in dieser Zeit mit vielen Unternehmern aus dem Handwerk gestritten. Einige haben den Notdienst eingestellt. Man kann doch nicht denjenigen, der alles bezahlt also den Kunden wegen guter Marktlage bestrafen. Grundsätzlich braucht es im Handwerksbetrieb ganz klare Ziele und eine Strategie. Beides haben die meisten Unternehmen schon nicht. Welche Ziele meinen Sie? Steffen: Prof. Ralf Brüning von der Fachhochschule des Mittelstands und ich haben fünf strategische Ziele im Handwerksbetrieb definiert. Das sind: An erster Stelle zufriedene Mitarbeiter, dann begeisterte Kunden, an dritter Stelle nachhaltige Wertschöpfung. Dazu kommen noch vorteilhafte Allianzen und gesicherte Unternehmensfortführung. Diese Ziele müssen immer in Einklang gebracht werden. Bei den meisten Unternehmen sind sie in den letzten Jahren völlig aus der Balance gekommen. Trotzdem kann man nicht nachts arbeiten, wenn die Kapazitäten voll sind. Steffen: Deshalb kann man aber das Ziel nicht ändern, man hat den Kunden nicht mehr als den gesehen, der alles bezahlt. Sie können z. B. sagen, wir haben vorübergehend Service- “Der Umsatz war wie Opium.” Einschränkungen. Außerdem brauchen sie dringend eine Strategie für zufriedene Mitarbeiter. Nach den wahren Bedürfnissen der Mitarbeiter trauen sich die Chefs gar nicht zu fragen. Sie haben sich durch die hohen Umsätze der letzten Jahre betäuben lassen. Die hohe Auslastung dieser Jahre wirkte wie Opium auf die Betriebe. Umsatz war wie Opium, es wurde nichts mehr gemacht: keine Weiterbildung, keine Strategie, damit ging die Zufriedenheit der Kunden und Mitarbeiter aber runter. Geben Sie mal ein konkretes Beispiel. Nehmen Sie die Kundenanfragen. Kunden mussten in der zurückliegenden Boomphase teilweise wochenlang auf Angebote warten. Ich sage: Wie dumm muss man sein, dass man Beratungen macht und dann die Angebote nicht zeitnah beantwortet? Hat dieser teils wochenlange Zeitversatz irgendeinen Nutzen? Nein natürlich nicht. Es kostet sogar mehr Zeit, weil Dir Erinnerungen fehlen und man muss sich in Projekte erst wieder reindenken. Sofortige Bearbeitung wäre also schneller, sinnvoller und kundenorientierter. Sofort ist aber keine Zeit da. Steffen: Ja, aber dann muss ich die Strategie ändern: Lieber Kunde, ich berate Dich gerne, aber erst in vier oder sechs Wochen. Aber Sie kriegen dann Ihr Angebot auch drei Tage später. Das spart insgesamt viel Zeit. Die Unternehmen, die in der Zeit der überbordenden Kundennachfrage vernünftig ihren Job gemacht haben, kommen nun viel besser durch die schwierigere Zeit. Was macht all das mit den Mitarbeitern? Die psychische Belastung bei den Meistern wird immer größer. Die guten Mitarbeiter gehen abends unzufrieden nach Hause, weil sie den Schreibtisch nicht leer haben. Den schlechten, nicht engagierten ist das egal. Und jetzt wird es interessant: Die Fehlkosten sind exorbitant gestiegen. Denken Sie nur an das neue Unwort ‘Bettkanten-Entscheidung’. Die Krankentage im Handwerk haben sich von 9 auf 19 Tage verdoppelt. Wir verheizen also durch unsere Umsatzgeilheit unsere Mitarbeiter und müssen das mit enormen Kapazitätsverlusten durch mehr Krankentage ausgleichen. Wer sich also an seine Strategie hält und auf seine Mitarbeiter achtet, hat langfristig Erfolg. Das zahlt sich aus. Was machen Betriebe, bei denen aktuell die Umsatzzahlen nach unten gehen? Steffen: Es gibt die, die noch Altaufträge haben oder die, die sich neue - wenn auch weniger Neubau-Aufträge - sichern konnten. Dann gibt es die, die nicht auf die großen Baustellen gegangen sind und sich um den Privatkunden gekümmert haben. Auch die haben zum Teil noch große Auftragsvorläufe. Dann gibt es eine weitere Gruppe, die die Krise schon deutlich zu spüren bekommt. Aber eigentlich alle brauchen eine offensive Kundenorientierung. Der Erfolg Ihres Unternehmens ist immer der Erfolg Ihrer Kunden. Lass den Kunden also König sein. Ein Leistungsversprechen könnte z. B. sein: Beim ersten Kontakt bekommst Du einen Termin. Spätestens drei Tage nach der Beratung bekommt Du ein Angebot. Der einzige Grund das nicht zu tun, ist, dass man unorganisiert ist. Wie setzt man das konkret um? Steffen: Den Kollegen, die wir trainieren, bringen wir bei, in den Wochenplan sogenannte BBA-Blöcke einzuplanen. BBA steht für Beratung, Bearbeitung und Auftrag. Wenn ein Kunde anruft, bekommt er also hier einen Zeitblock zugeteilt. Am sinnigsten ist es, diese erste Beratung in der eigenen Ausstellung zu machen. Der Kunde kommt also zu uns. Das ist wesentlich effektiver als zum Kunden zu fahren. Dazu bekommt der Kunde eine Email, in der aufgelistet wird, welche Bilder und welche Informationen er z. B. über sein Bauprojekt mitbringen soll. Wichtig ist, dass nicht nur die Beratungszeit direkt im BBA-Block gebucht wird, sondern dass auch die Bearbeitungszeit nur wenige Tage später gebucht wird. Hier wird dann unmittelbar das Angebot erstellt. Verschiebt sich das Kräfteverhältnis aktuell wieder zu Gunsten der Kunden? Steffen: Ja und deshalb brauchen wir mehr Kundenorientierung. In den letzten zwei Jahren haben Kunden gelernt, der Handwerker kommt nicht, und Bauen ist kompliziert und teuer. Da müssen wir wieder von weg. Das beginnt am besten mit einem schnellen Wunschtermin für eine Beratung. So habe ich die volle Aufmerksamkeit des Kunden. Wir stellen den Kunden also wieder in den Mittelpunkt. In den letzten Sind die fetten Jahre im Handwerk vorerst vorbei? Derzeit machen der kriselnde Baumarkt, aber auch die Zurückhaltung bei der privaten Sanierung der Branche das Leben nicht einfach. Wer weiterhin Erfolg haben will, muss Kunden und Mitarbeiter wieder in den Mittelpunkt stellen und Qualität und Leistung bieten, sagt Handwerks-Trainer Rolf Steffen von der ‘Akademie Zukunft Handwerk’. In unserem Exklusiv-Interview verrät er, wie Betriebe weiter erfolgreich bei Kunden, Mitarbeitern und Rendite sind. trennen können, die es mit ihren Forderungen übertreiben. Dann ist aber schon etwas passiert, dass nicht passieren darf. Was denn? Steffen: Es fehlt an Information und Teilhabe der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter müssen am Erfolg des Unternehmens beteiligt werden. Das heißt, dass sie zum einen über die Erfolgszahlen des Unternehmens unterrichtet werden und zum anderen variabel Lohneinteilungen bekommen. Die Mitarbeiter hätten in guten Zeiten also richtig Geld verdient und das wäre auch gerecht gewesen. Aber durch die Transparenz der Erfolgszahlen hätten sie nun erkannt, der Erfolg geht zurück. Das gilt dann auch für unsere Löhne. Was ist mit dem Generationen-Problem. Sind junge Leute heute wirklich in Sachen Karriere so faul? Steffen: Ich trainiere derzeit sehr viele junge Leute zwischen 20 und 30 Jahren. Die wollen alle voran kommen. Ich selber komme aus einer Generation, der Fleiss nachgesagt wird. Aber ganz ehrlich, in der Ausbildung war ich genauso faul, wie die heute und habe auch schon mal den Weg zum Arzt gesucht, um Freizeit zu haben. Letztlich bekommt jedes Unternehmen die Mitarbeiter, die es sich verdient. Also alles gut beim Nachwuchs? Steffen: Das Problem ist doch, dass die Ausbildung im Bauhandwerk grottenschlecht ist. Im Baustellen-Alltag bilden die Gesellen und nicht die Meister die Auszubildenden aus. Diese Gesellen haben aber gar keine Ahnung von Arbeitspädagogik. Schon der Ton, der da Morgens auf der Baustelle zu hören ist, ist größtenteils wirklich schwierig. Hier müssen wir uns verbessern. Ändert sich der Führungsstil durch die Anforderungen der jungen Generation? Steffen: Ja, ganz klar. Die jungen Leute, gerade die, die gut sind, haben eine ganz andere Einstellung zur Freiheit, Selbstbestimmung und Entfaltung. Darauf sind viele Unternehmen aber nicht eingestellt. Hier müssen wir die Interessen der jungen Mitarbeiter ernst nehmen und mit ihnen auch mal in den Ring gehen. Und Ideen wie Gewinnbeteiligung, Mitwirkung an Zielen und Prozessen bringen gerade bei jungen Leute höchstes Engagement. Wenn ich mit jungen Leute eine Strategie mache, wo wir in zehn Jahren sein wollen, ist das genau ihre Sichtweise. Die sind dann begeistert. Das motiviert und bindet. Was ist mit der Vier-Tage-Woche? Steffen: Wir haben in Betrieben, die wir beraten auch immer wieder Mitarbeiterbefragungen. Da kommt dann ganz häufig die Idee der Vier-Tage-Woche. Wirtschaftlich geht eine vier Tage Woche bei den meisten Betrieben nicht. Der Markt verlangt es aber von Seiten der Mitarbeiter zum Teil. Eine Lösung hier könnte sein, jeden Tag etwas mehr, also länger zu arbeiten und dafür alle 14 Tage Freitags frei zu machen. Da trifft man sich auf der Hälfte. Die Mitarbeiter haben alle zwei Wochen ein langes Wochenende, trotzdem wird der Betrieb Freitags aufrecht erhalten, insgesamt bei gleicher Arbeitszeit. Das kann man also gemeinsam hin kriegen, wenn man in einen ehrlichen Dialog geht. Auch hier müssen Sie es schaffen, die drei Ziele zufriedenene Mitarbeiter, begeisterte Kunden und nachhaltige Wertschöpfung in einen Dreiklang zu bringen. Geben Sie bitte noch ein Fazit zur Lage. Steffen: Die Rahmenbedingungen sind für alle gleich. Trotzdem sind einige erfolgreich, andere nicht. Der Erfolg liegt also darin, was Du aus den Rahmenbedingungen machst. Die Kollegen, die die wichtigen Grundprinzipien eingehalten haben, vernünftige Umgangsformen, stetige Weiterbildung, Kunden in den Fokus stellen, die kommen auch gut durch die schwierigeren Zeiten. Herr Steffen, Sie beraten und schulen täglich viele Bauhandwerks-Betriebe. Wie nehmen Sie die aktuelle Marktlage wahr? Steffen: Fakt ist, die Großwetterlage im Handwerk ist schwieriger geworden. Es gibt dunkle Wolken und unsichere Prognosen. Der Fachkräftemangel ist immer noch ein bedeutendes Problem. Zudem schwächelt die Bauwirtschaft. Das heißt, Unternehmen, die bisher im Großprojekt tätig waren, suchen ihr Heil immer stärker im Bereich des Privatkunden. Leider ist genau dieser Markt aktuell eingebrochen. Das ergibt natürlich eine brisante Mischung mit dem Ergebnis, dass der Wettbewerbsdruck bei allen Betrieben erheblich steigt. Entspannt das wenigstens den Arbeitsmarkt fürs Bauhandwerk? Steffen: Nein. Trotz der Eintrübung suchen alle noch selbstständig arbeitende, engagierte Mitarbeiter. Diese sind allerdings inzwischen sehr selbstbewusst geworden und stellen erhebliche Forderungen an die Chefs, die nicht so ganz zur aktuellen Lage passen. Denn die Umsätze brechen ein. Es erwischt alle, es trifft alle, aber es trifft nicht alle gleich stark. Wen trifft es denn stärker als andere? Steffen: In der Vergangenheit - als selbst die öffentlich rechtlichen Sender an prominenter Stelle z. B. Tagesschau und heute journal - über den Fachkräftemangel berichteten, sind viele Handwerker einfach zu arrogant geworden. Nach dem Motto ‘uns kann ja nichts passieren, man könne sich die Kunden aussuchen’. Kunden sollten sich gar darauf einstellen, wochenoder gar monatelang warten zu müssen. Einige Jahren haben die meisten Betriebe eher Abteilungen aufgebaut, die ich als Kundenabwehr und Kundenbeleidigung bezeichnen würde. Was ist mit den Preisen? Es entsteht ja nun erheblicher Preisdruck am Markt. Steffen: Hohe Qualität zum niedrigen Preis kann zum Beispiel ein Discounter wie Aldi sein. Würde im Handwerk klappen, wenn man 500 Dächer im Jahr bauen könnte. Das geht aber nicht wirklich. Niedrige Qualität und ganz hoher Preis. Das geht z. B. bei der Post und der Deutschen Bahn, also bei Monopolisten. Kann der Handwerker auch nicht. Das Handwerk muss sich also irgendwo bei hoher Qualität zum hohen Preis oder besser gesagt marktempfundener Qualität und relativen Preis positionieren. In Deinem Wettbewerb musst Du also der Porsche sein. Das geht nur über Leistungsversprechen, z. B. einen Termin beim ersten Telefonat. Das bekommen die meisten aber nicht hin. Entweder hebt niemand ab oder jemand der keine Ahnung hat, verspricht bestenfalls einen Rückruf. Ob und wann es den gibt, ist fraglich. Kann man diese Qualität auch auf die Mitarbeiter beziehen? Steffen: Einen neuen Mitarbeiter einzuarbeiten, kostet erst einmal Geld. Der Einarbeitungsprozess eines neuen Mitarbeiters liegt Untersuchungen zufolge bei etwa einem halben Jahresgehalt. Bei Mitarbeiterfluktuation geht extrem viel Know-How und Qualität verloren. Mitarbeiter halten ist also wichtig. Trotzdem muss man sich auch von Mitarbeitern “Einige haben sogar den Neukundenstopp ausgerufen. Das rächt sich nun in Zeiten mit weniger Umsatz.” Zur Person: Handwerksmeister Rolf Steffen wagte 1983, im Alter von 23 Jahren, den Schritt in die Selbstständigkeit. Sein SHK-Handwerksunternehmen hatte bis zur Unternehmensnachfolge im Jahr 2018 bis zu 70 Mitarbeiter. Gemeinsam mit seinem Bruder Udo verschriftlichte Rolf Steffen schon in den 80er Jahren die seiner Meinung nach besten professionellen Lösungen für die diversen Geschäftsprozesse in einem Handwerksunternehmen. Als Autor veröffentlichte Steffen seither zahlreiche Bücher für modernes Management im Handwerk und ist als Seminarleiter, Referent und Berater für erfolgreiche Unternehmensführung im Handwerk bundesweit tätig. In 2016 gründete Rolf Steffen die ‘Akademie Zukunft Handwerk’, deren Vorstand er seither ist. Die Akademie gilt als eines der größten Weiterbildungsinstitute im Bau-Handwerk. Sie verbindet Management-Theorien mit der Praxis in den zu schulenden Handwerksbetrieben. Mehr Info: www.zukunft-handwerk.de E-mail: rolf.steffen@azh-ag.de “In Deinem Wettbewerb musst Du der Porsche sein. Das geht nur über Leistungs-Versprechen.”

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