FDF DachNews - Ausgabe 3/2017

2 Sie vertreten in der Aktion DACH alle Vertriebsstufen, wie geht es der Bran- che derzeit? Vandervelt: Wie Sie schon sagen, steht die Aktion DACH für drei Vertriebsstufen, also für Handwerk, Handel und Industrie. Wir sind also ein recht heterogener Verbund. Sicher geht es da an der ein oder anderen Stelle mal besser und mal schlechter. Aber wenn man einen Querschnitt über die gesamte Branche nimmt, muss man sagen, es läuft derzeit pri- ma am Dach. Das sehen wir z. B. auch darin, dass die DACH+HOLZ Int. im kommenden Jahr in Köln schon jetzt ausverkauft ist. Das ist ein sehr gutes Konjukturbarometer. In vielen Bauhandwerken gilt das aus- führende Handwerk inzwischen als Flaschenhals. Der Markt würde wahr- scheinlich mehr hergeben, aber Fach- kräfte fehlen. Da ist leider was dran. Das unterstreicht auch, wie notwendig es ist, dass wir aktiv gegensteuern. Das hat in der Vergangenheit noch nicht den gewünschten Wandel gebracht. Deshalb arbeiten wir nun mit neuen Tools. Denn was wirklich wichtig ist: Wir kratzen hier erst an der Spitze des Eisbergs. Der durch feh- lende Arbeitskräfte vorhandene Auftragsüber- hang wird in Zukunft noch deutlicher werden. Wir stehen demographisch gesehen erst am Anfang dieses Problems. Ist der Fachkräftemangel nicht ein Stück weit hausgemacht? Derzeit sind 6.600 Auszubildende im Dachdeckerhand- werk. Mitte der Neunziger Jahre waren das mal 15.000. Haben die Betriebe in den letzten Jahren einfach zu wenig aus- gebildet und das Problem nicht ernst genug genommen? Die Zahl 15.000 stimmt, hatte aber auch mit ein paar Sonderfaktoren zu tun. Richtig ist, dass die Ausbildungszahlen seitdem sinken. Warum ist das so? Eine Antwort liegt sicherlich in den Betrieben. Unser durchschnittlicher Mit- “Nachwuchssicherung ist Existenzsicherung” Gute Konjunkturaussichten treffen im Dachhandwerk auf Fach- kräftemangel und rückläufige Ausbildungszahlen. Obwohl die Karrierechancen auf Deutschlands Dächern besser denn je ste- hen, schwindet Personal und Nachwuchs. Die Brancheninitiati- ve “Aktion DACH” spricht deshalb “Nachwuchs am Dach” auf neuen Wegen an. In unserem Exklusiv-Interview erklärt ZVDH- Geschäftsführer Guido Vandervelt die Idee dahinter und gibt neue Denkansätze für die Betriebe. gliedsbetrieb hat 4 Mitarbeiter. Die Auftrags- lage lief in den letzten Jahren recht gut, die Betriebe konnten solide ‘abarbeiten’. Die Ent- scheidung, einen oder einen weiteren Auszu- bildenden aufzunehmen, wurde da im tägli- chen Geschäft, schnell schnell von Baustelle zu Baustelle, zu weit nach hinten gestellt. Nun fehlen Fachkräfte an vielen Stellen und die Vorlaufzeiten werden zu groß. Kunden suchen deshalb nach anderen Möglichkeiten der Dach- sanierung und geraten hier teilweise an unse- riöse Anbieter, die eine schnellere Arbeits- durchführung versprechen. Mit Meisterqualität hat diese Arbeit dann nichts mehr zu tun. Wir holen uns also schlechte Kon- kurrenz ins Haus, weil wir unsere Kunden nicht mehr zeit- nah bedienen können. Es ist also jetzt höchste Zeit auszubil- den. Wir merken auch an den Reaktionen aus dem Dachde- ckerhandwerk, dass Maßnah- men hier hochwillkommen sind. Also ja, es gibt in diesem Bereich Sünden und Versäum- nisse in den letzten 5 bis 10 Jahren. Wollen die Jugendlichen vielleicht auch mehr smarte und saubere Bürojobs als echte Handwerksarbeit? Das stimmt zwar, ist aber nicht neu. Das war schon vor 20 Jahren so, als wir Meister Oben- auf ins Leben riefen. Das Problem geht zum Teil auch von den Eltern aus, die sagen, ein “weißer Kragen” ist besser als ein “blauer”. Das ist natürlich schade und auch falsch. Das Problem finden sie z.B. bei der wachsenden Zielgruppe von Immigrantenkindern. Sie sind für den Dachdeckerberuf bestens geeignet. Aber das Problem ist, dass die Eltern zum Großteil eine vollkommen falsche Meinung von der Qualität einer Handwerksausbildung haben. Sie kommen aus Ländern, in denen man Handwerker wird, indem man Werkzeug kauft und dann alle anfallenden Tätigkeiten über- nimmt. Duale Ausbildung, Lehrberufe und Aufstiegsmöglichkeiten kennen sie nicht. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit von den Mög- lichkeiten in Bauhandwerksberufen notwen- dig. Um eben diese Eltern zu erreichen, wol- len wir diese zukünftig sogar in deren Mutter- sprache informieren. Das gleiche gilt aber auch für deutsche Eltern. Deshalb sind Lehrer und Eltern eine unserer Kernzielgruppen. Trotzdem gibt es viel Kritik von Seiten der Betriebe am Nachwuchs: Fehlende Reife, kein Benehmen, hohe Ansprüche, schlechte Schulnoten, wenig Respekt. Auch da ist leider was dran. Heute gibt es gewisse soziale Schichten, die die Erziehung der Kinder komplett in die Schule verlagert haben. Leh- rer sind heute damit beschäf- tigt, Kindern “Guten Tag und Aufwiedersehen oder Bitte und Danke” beizubringen anstatt die Rechenarten. Das wird in diversen Studien belegt. Aber letztlich müssen wir uns auf diese veränderten Bedingungen einstellen. Hinzu kommt, dass die heutige Generation Jugendlicher ganz andere Werte hat, als z. B. meine, der ich heute 58 Jahre bin. Heute erwarten junge Menschen ‘Augenhöhe’. Chefs werden nur dann akzep- tiert, wenn sie ‘besser’ sind. Das ist auch nicht nur eine Sache des Handwerks. Diese verän- derten Wertevorstellungen prallen in der ‘Bank’ ebenso aufeinander. Die Chefs müssen sich für unsere Auszubildenden deshalb mehr Zeit nehmen. Der Dachdeckerverband hat der- her z. B. das Ausbildungsversprechen entwi- ckelt. Das ist ein Büchlein mit Ideen, das man auf unserer Homepage herunterladen kann. Hier wird erklärt, wie man die Ausbildungs- zeit heute für den Auszubildenden und den Betrieb erfolgreicher gestalten kann. Nennen Sie bitte ein Beispiel. Das sind zum Teil ganz simple Dinge. Wenn der Lehrling am ersten Tag kommt, nimm Dir “Wir kratzen hier erst an der Spitze des Eisbergs. Der durch fehlende Arbeitskräf- te vorhandene Auf- tragsüberhang wird in Zukunft noch deutlicher werden. Wir stehen demogra- phisch gesehen erst am Anfang dieses Problems.” Anzahl der Auszubildenden: Die Talfahrt bei der Entwicklung der Zahl der Auszubildenden im Dachdeckerhand- werk setzt sich fort. Mit insgesamt 6.651 Auszubildenden ist zum Stichtag 1.1.2017 ein Rückgang von 4,7 % zum Vorjahr zu verzeichnen. Drama- tisch werden die Zah- len, wenn man noch weiter zurückblickt. So waren in den Jah- ren 1996, 1997 und 1998 noch je rund 15.000 Lehrlinge im Dachdeckerberuf. Bild: Aktion Dach

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