FDF DachNews - Ausgabe 1/2022

2 NEWS DACH 1/22 3 Herr Bollwerk, wir scheinen im dritten Corona-Jahr und nun mit dem Krieg in der Ukraine wieder einmal in eine unübersichtliche Bausaison zu gehen. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage für die Dachdecker? Bollwerk: Was die Geschäftslage und -aussichten angeht, blicken Dachdecker positiv in die Zukunft. Die Auftragsbücher sind voll: der durchschnittliche Auftragsbestand ist auf immense 7 Monate angewachsen. Zwar sind Preise und Lieferfristen für Baumaterialien 2021 teilweise explosionsartig angestiegen, konnten aber überwiegend weitergegeben werden. Auch hier konnten wir übrigens Teilerfolge durch das Einführen von Preisgleitklauseln für Projekte vom Bund erreichen. Mit der Ukraine stolpern wir von Corona unmittelbar in die nächste internationale Krise. Muss die Bedachungsbranche erneut mit ähnlichen Marktverwerfungen wie im letzten Jahr rechnen? Energiesanierung im Bestand investieren lässt. Das ist eine gute Geldanlage und man spart Heizkosten, oder? Bollwerk: Ja, die energetische Sanierung oder der Aufbau von PV-Anlagen wurde in den letzten beiden Jahren – gerade in der Pandemiezeit – verstärkt nachgefragt. Das haben auch ZVDH-interne Umfragen unter unseren Innungsbetrieben gezeigt. Um so ärgerlicher war dann Anfang des Jahres das Hin und Her mit der KfW-Förderung, das für viel Unruhe und Unmut in der Bauwirtschaft – und damit auch bei den Bauherren gesorgt hat. Daher ja auch unsere Forderungen nach einer schnellen Neuausrichtung, was die Fördermaßnahmen angeht. Sei es bei dem EH 55 oder EH 40. Das heißt nun für die Betriebe? Bollwerk: Handwerker sollten die Hausbesitzer gut beraten und sich selbst schlau machen zu den aktuellen Fördermitteln. Durch Dämmen der Dächer oder oberster Geschossdecken, aber auch durch Fenstertausch wird Energie gespart und der CO2-Ausstoß minimiert. Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit im Dachbau? Bollwerk: Es wird zunehmend wichtiger. Auch der ZVDH beschäftigt sich über die entsprechenden Fachausschüsse des ZVDH mehr und mehr mit dem Thema. Auch hier ist der enge Austausch mit Industrie und Handel wichtig. Themen sind nachhaltig Produzieren, aber auch die Entsorgung, das Recycling gehören dazu. Solarenergie ist ein weiteres heißes Eisen am Dach. Sie steht für Energieautarkie und Klimaschutz. Beides Boomthemen. Trotzdem hat man in der Praxis das Gefühl, dass Dachdecker dieses Marktsegment lieber Solarteuren überlassen. Ist das bei den heutigen einfach zu montierenden Produkten noch zeitgemäß? Bollwerk: Wir sehen den Solarmarkt als wichtigen Zukunftsmarkt und sehen auch die Bedeutung, uns hier für die Zukunft noch stärker aufzustellen. Wir sind vorbereitet, hier aktiv zum Klimaschutz beizutragen und bauen gleichzeitig die Kompetenz der Betriebe weiter aus. Unsere Bildungszentren bieten z.B. ganz aktuell Weiterbildungsmaßnahmen und Lehrgänge zum PV-Manager an. Der hohe Stellenwert, den dieser Bereich bei unseren Betriebe hat, zeigt das massive Interesse: Die Lehrgänge waren binnen Stunden ausgebucht. Ähnliches gilt übrigens für Weiterbildungen im Bereich der Gründächer. Beides, also Gründach und Solar kann man ja auch wunderbar zusammen führen. Im Markt gibt es aber gerade hier viele falsche Ansätze. Hier werden z. B. auf alte, unsanierte Dächer teure Solaranlagen montiert oder selbst Architekten wissen nicht, dass man Gründach und Solar verbinden kann. Fachkräftemangel ist ein weiteres Dauerthema der Branche. Bei den oben aufgeführten Themen scheint es ein wenig in den Hintergrund zu treten. Bollwerk: Ja, das ist natürlich ein Dauerbrenner und das sehen fast alle Betriebe mit großer Sorge. Aber die gute Nachricht ist, dass wir wieder ein deutliches Plus bei den Azubizahlen haben: 8.734 Auszubildende gibt es derzeit über alle drei Lehrjahre hinweg im Dachdeckerhandwerk. Damit haben sich rund 1.000 junge Menschen mehr als im letzten Jahr für den Dachdeckerberuf entschieden. Das ist ein deutlicher Anstieg von über 13 Prozent. Damit konnten wir die Zuwachsrate nochmals steigern, denn diese lag im Vorjahr bei rund sieben Prozent. Weiterhin erfreulich: Wir haben mit 64.497 gewerblichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen den höchsten Jahresmittelwert seit 2001. Ende April haben wir den sogenannten Girls Day. Schülerinnen ab der Klasse 5 sollen für technische Berufe gewonnen werden. Wie sieht es mit Frauen als Dachdeckerinnen aus? Bollwerk: Auch bei den Damen im Dachdeckerhandwerk verzeichnen wir einen Anstieg. Aktuell bilden wir 212 junge Frauen im Dachdeckerhandwerk aus, im Vorjahr waren es 166, und davor 147. Auch wenn die Frauen-Quote insgesamt mit 2,4 % noch sehr niedrig ist, sehen wir doch ein zunehmendes Interesse. Wir unterstützen übrigens unsere Betriebe ganz konkret beim GirlsDay, indem wir sie mit Materialien versorgen, um z. B. dafür zu werben. Noch mal ganz kurz: 2022 wird gut oder lieber Augen zu und durch? Bollwerk: Im Angesicht eines furchtbaren Krieges kann man wohl nicht sagen, dass 2022 gut ist und egal, wie lange der Krieg noch dauert: Das Jahr 2022 wird immer im Schatten dieser furchtbaren Ereignisse stehen. Und Augen zu und durch ist nie eine gute Lösung. Denn zu einer schwierigen Situation gehört ein klarer Blick, gehört, sich zu informieren, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und die müssen in solch besonderen Situationen immer wieder überdacht und neu justiert werden. Dabei hilft der ZVDH unseren Dachdeckerbetrieben. Dirk Bollwerk (51) ist Dachdecker,- Klempner- und Zimmerermeister. Er führt seit 1993 den Dachdeckerbetrieb Joh. Bollwerk Bedachungen GmbH im niederrheinischen Rees-Haldern mit 16 Mitarbeitern. Er ist verheiratet und hat 2 Töchter. Seit 2017 ist Dirk Bollwerk Präsident des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks. Mit der Bausaison 2022 liegt unübersichtliches Terrain vor den deutschen Dachdeckern. Die Pandemie ist noch nicht vorbei und schon bringt der Ukraine Krieg neue Unsicherheit in die Märkte. Was bedeutet das für Dachhandwerker? Im DachNews-Exklusiv-Interview erklärt der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks Dirk Bollwerk, worauf es jetzt ankommt. Bollwerk: Natürlich ist derzeit noch nicht vollständig absehbar, wie sich der Krieg in der Ukraine auf das Dachdeckerhandwerk auswirken wird. Preissteigerungen und Lieferengpässe sind überall spürbar. Natürlich auch in der Bauwirtschaft und auch im Dachdeckerhandwerk. Damit müssen wir rechnen. Wir stehen hier im engen Austausch mit der gesamten Bedachungsbranche, um Frühwarnsysteme zu installieren, damit die nächsten Preissteigerungen und Lieferengpässe unsere Betriebe nicht wieder kalt erwischen. Ohne Frage, es stehen schwierige Zeiten bevor. Und natürlich setzen uns allen die täglichen Meldungen über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mit all dem Leid, dem die Menschen dort ausgesetzt sind, sehr zu. Russland ist z. B. in der Holzproduktion wichtig amWeltmarkt. Droht uns wieder eine Preisexplosion für Holz? Bollwerk: Nicht nur Russland, auch Weißrussland und die Ukraine sind wichtige Holzlieferanten. Und Putin hatte ja schon im letzten Jahr für 2022 ein Exportverbot für Nadelrundholz und hochwertige Laubrundhölzer angekündigt. Zudem fehlen LKW-Fahrer und durch die Sanktionen – also zum Beispiel Importverbote – wird sich die Situation zunehmend verschärfen. Lieferketten und der Transport sind derzeit schwierig und schlichtweg nicht kalkulierbar. Wir rechnen daher auch bei Holz wieder mit Lieferengpässen und Preissteigerungen. Es erscheint schon wieder so, als würde die Branche anfangen bei Baumaterialien zu hamstern? Vielleicht hat sie damit auch gar nicht aufgehört? Bollwerk: Natürlich wird der ein oder andere Betrieb versuchen, sich Vorräte anzulegen. Aber auch hier stehen wir im engen Austausch mit dem Bedachungsfachhandel: Zum einen wurde uns versichert, dass die Händler vorgesorgt haben und die Lager randvoll sind. Zum anderen sind viele Großhändler dazu übergegangen, auftragsbezogen zu kontingentieren, um Hamsterkäufe zu vermeiden und damit eine flächendeckende Versorgung sicherstellen zu können. Ob dies auf Dauer gelingt, hängt natürlich in erster Linie davon ab, wie lange der Konflikt in der Ukraine anhält und in welchem Maße dadurch die globalen Märkte gestört sind. Zentrales politisches Thema sind Energiepreise und Inflation. Was bedeutet das fürs Handwerk? Müssen Dachdecker hier wieder mit erheblich steigenden Einkaufspreisen rechnen? Bollwerk: Ersten Umfragen zufolge gibt etwa die Hälfte aller Betriebe der herstellenden Industrie an, nicht oder nur in geringem Maße in ihren Lieferketten von Russland abhängig zu sein. Dennoch ist seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine eine deutliche Preissteigerung zu beobachten, was in erster Linie auf gestiegene Energie- und Transportkosten durch die Verteuerung von Öl und Gas zurückzuführen ist. Auch erdölbasierte Dachbauprodukte sind in stärkerem Maße betroffen. Die Preissteigerungen belasten natürlich auch die Betriebe. Der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks e. V. (ZVDH), gegründet 1925, ist ein Arbeitgeberverband. Er vertritt die gemeinsamen fachlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen des Dachdeckerhandwerks mit über 15.000 Dachdeckerbetrieben (davon rund 7.000 Innungsbetriebe), 100.800 Mitarbeitern und einem Jahres-Umsatz von über zehn Milliarden Euro. ZVDH Präsident Dirk Bollwerk: Volle Auftragsbücher, aber... INTERVIEW “Die Auftragsbücher sind voll: Der durchschnittliche Auftragsbestand ist auf immense sieben Monate angewachsen.” Was bedeutet das für die Angebote? Wie sichere ich mich als anbietender Handwerker hier am besten ab? Bollwerk: Im vergangenen Jahr haben wir vor dem Hintergrund der entstandenen Lieferengpässe und Preissteigerungen bei Baumaterialien ein ZVDH-Infoblatt mit dem Titel „Was tun bei unvorhergesehenen Preiserhöhungen und Lieferengpässen von Bedachungsmaterialien?“ zur Verfügung gestellt. Nachdem nun wieder - vorwiegend bedingt durch den Ukraine-Krieg - Preissteigerungen zu befürchten und bereits eingetreten sind, haben wir als weitere Hilfestellung für die Betriebe Formulierungsvorschläge entwickelt. Diese können als Angebotstexte verwendet werden, um sich gegen unvorhergesehene Preissteigerungen so gut es geht abzusichern. Dies stellt natürlich keinAllheilmittel dar, kann aber dazu beitragen, sowohl für den Kunden als auch für den eigenen Betrieb mehr Planungssicherheit zu schaffen. Was sind die wichtigsten Tipps? Bollwerk: Das Dachdeckerhandwerk ist lohn‐ und materialintensiv, vor allem bei größeren Baustellen muss der Materialpreis jetzt mehr den je abgesichert werden. Üblicherweise befristet der Dachdecker seinen Angebotspreis gegenüber seinem Kunden auf einen begrenzten Zeitraum. Parallel hierzu ist es sinnvoll, wenn sich der Dachdeckerbetrieb seinen angefragten Einkaufspreis seinerseits vom Handel absichern lässt. Fehlt eines der beiden „Sicherungsseile“, hat der Betrieb im Falle einer überraschenden Preiserhöhung ein Problem, das juristisch nicht mehr aufgelöst werden kann. Denn es gibt kein Preisanpassungsrecht. Ohne Preisabsicherungen beim Handel sind Preisgleitklauseln eine gute Alternative. Diese sollte der Dachdeckerbetrieb kundenspezifisch in sein Angebot oder Vertrag einbauen. Aber Achtung: Materialpreisgleitklauseln in den AGB sind gegenüber privaten Verbrauchern praktisch immer unwirksam. Auf der anderen Seite öffnen die Energiepreise und die Inflation sicher auch neue Märkte. Es ist zu vermuten, dass beides Bauherren wieder mehr in die Es haben sich rund 1.000 junge Menschen mehr als im letzten Jahr für den Dachdeckerberuf entschieden. Das ist ein Anstieg von über 13 Prozent. “Die energetische Sanierung und PVAnlagen wurden in den letzten beiden Jahren verstärkt nachgefragt.”

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