FDF DachNews - Ausgabe 3/2024

3 BAU-WIRTSCHAFT 2 Die schlechten Nachrichten aus der Bauwirtschaft haben die letzten beiden Jahre kein Ende genommen. Wo sehen Sie aktuell die deutsche Bauwirtschaft und das Bauhandwerk? Dittrich: Wir sind nach wie vor in der Talsohle. Mit dem Widerspruch, dass sich alle einig sind, dass gerade im Wohnungsbau und eigentlich im gesamten Bau- und Ausbaubereich genau jetzt mehr gebaut werden müsste. Die Investitionsbedingungen sind aber nach wie vor nicht gut genug, dass in ausreichendem Maße investiert wird. Leider ist hier auch perspektivisch erst einmal keine Veränderung in Sicht. Sie sind Dachdecker mit eigenem Betrieb. Wie ist die Lage am Dach? Dittrich: Wir Dachdecker haben den Vorteil, dass wir in einem Sektor tätig sind, der gegen den Trend Chancen bietet. Beispiel Photovoltaik: Selbst für die, die keine Photovoltaik verarbeiten, gibt es Arbeit, weil die Dächer vor der Installation von PV-Paneelen noch mal repariert oder erneuert werden. Es ist insgesamt die Aufgabe für die Unternehmen, breit aufgestellt zu sein, von der Photovoltaik bis hin zur Dachbegrünung. Oder flexibel zu sein und etwa aus dem Neubau in die Sanierung zu gehen. Wegen dieser Optionen ist das Dachdeckerhandwerk aktuell noch besser dran als andere Gewerke. Müssen sich Dachdecker vor Insolvenzen von Auftraggebern fürchten? Dittrich: Im Neubau sowieso. Wir sehen die ganzen Bauträger, die in Insolvenz gegangen sind oder gerade noch gehen. Insgesamt ist der schwarze Peter - also die Frage, hat der Kunde genügend Geld, die Leistung zu bezahlen - wieder vorhanden. Als Handwerker kann ich nicht wissen, welcher meiner Auftraggeber durch die Insolvenz eines Bauträgers vielleicht in Schieflage geraten ist. Das ist eine gefühlte Unsicherheit. Denken Sie an die vielen Unternehmen, die in der Benko-Pleite hängen. Beim Zahlungsverhalten gilt es nun wieder, besonders aufzupassen. Bei uns in der Firma ist das ein großes Thema. Wenn Zahlungsziele nicht eingehalten werden, muss man das sofort hinterfragen. Bedenken Sie: Um einen Zahlungsausfall bei der gesamten Umsatzrendite auszugleichen, müssen Sie sehr viel mehr Umsatz erwirtschaften. Ein Zahlungsausfall ist der Supergau im Handwerksbetrieb. Viel schlimmer als ein Absinken der Marge. Muss jetzt insgesamt - aufgrund der Lage – ein Umdenken bei den Betriebsinhabern eines Dachbau-Unternehmens erfolgen? Dittrich: Dass die Investitionstätigkeit nach unten gegangen ist, liegt ja nicht an den Baubetrieben oder am Dachdecker. Vielmehr wirkt sich die fehlende Investitionstätigkeit als Kollateralschaden auch auf den Dachdecker aus. Nun stellt sich die Frage, wie er darauf reagieren soll. Ich sage dazu: Ein Kollateralschaden kann auch einen Kollateralnutzen haben. Soll heißen: Jetzt ist die Zeit, eigene Prozesse zu betrachten und zu verbessern. Wenn es am Markt und im Geschäft gut läuft, ist es schwer, sich dazu zu motivieren. Anders, wenn man zurückfällt. Wie bei einem Sportler, der plötzlich verliert, muss man dann schauen, woran es liegt, und man muss sein Training anpassen. Es gilt also, Prozesse zu verbessern, die Effizienz etwa in der Arbeitsvorbereitung oder der Logistik zu steigern. Gleichzeitig muss geschaut werden, wie sich die Effizienz auf der Baustelle erhöhen lässt, natürlich ohne die Mitarbeiter zu verheizen. Am Ende muss es darum gehen, eine für den Kunden weiter bezahlbare Leistung zu erbringen, gute Löhne zahlen zu können und bei all dem auch noch Geld zu verdienen. Höhere Löhne und steigende Preise werden sich wohl kaum ohne einen Mehrwert für die Kunden durchsetzen lassen. Wir müssen Effizienzreserven heben, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das gilt für den einzelnen Dachdecker genauso wie für die ganze deutsche Wirtschaft. Gleichzeitig ist politische Unzufriedenheit in Deutschland aktuell in alle Richtungen sehr groß. Wie zufrieden sind Sie als ‘politischer Botschafter’ des Handwerks mit der aktuellen Leistung der Politik in Berlin? Dittrich: Ich bin Sprecher des Handwerks, aber auch selbst Handwerksmeister. Und auch ich bin enttäuscht von den aktuellen politischen Prioritäten. Die Wirtschaft, besonders der Mittelstand, und vor allem eine wieder verbesserte und gestärkte Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands müssten ganz oben stehen. Das kann ich im konkreten Handeln nicht erkennen. Nun ist die Diskussion über den richtigen Weg auch im Handwerk breit. Einige fordern gar den Rücktritt der Regierung, andere wollen das nicht, weil sie die Gefahr sehen, dass Deutschland dadurch destabilisiert wird. Ich bin der Meinung: Die Regierung hat die Verantwortung für diese Legislaturperiode übernommen, und dann muss sie diese Verantwortung jetzt auch wahrnehmen. Bei zentralen Themen scheint die Einsicht, handeln zu müssen, da zu sein. Der Kanzler erwartet eine Neuausrichtung der EU-Wirtschaftspolitik, der Wirtschaftsminister sagt, er würde das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gerne mit der Kettensäge wegbolzen. Das sind Zitate. Dann sollen sie das doch bitte auch machen. Ich erwarte da nun tatsächlich Handlungen, gerade auch im Baubereich, etwa durch eine Kostenverringerung beispielsweise über die Reduzierung nicht notwendiger Standards, durch deutlich beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren, Praxischecks für Gesetze, eine spürbare Bürokratieentlastung, und zwar jedes Jahr. Damit Deutschland aber auch international wieder wettbewerbsfähig wird, müssen wir noch deutlich ambitionierter werden. Die Probleme des Handwerks sind vielfach nicht andere als die der Industrie. Aber weil das Handwerk deutlich personalintensiver ist, sind grundsätzliche Reformen etwa bei der Finanzierung der Sozialversicherungssysteme sogar noch dringlicher als in der Industrie, vor allem mit Blick auf die explodierenden Sozialabgaben und zu hohen Steuern. Schwer zu schaffen hat der Bauwirtschaft vor allem das Heizungsgesetz im letzten Jahr gemacht. Derzeit ist der Absatz an Wärmepumpen rapide in den Keller gefallen. Verbraucher sind verunsichert. Statt versprochenem Boom sind die Hersteller in Kurzarbeit. Wie konnte das so schieflaufen? Dittrich: Das Gesetz ist ein perfektes Beispiel dafür, dass man Vertrauen nicht nach Belieben mit einem Schalter an- und ausschalten kann – einmal verspielt, ist es sehr schwer wieder zurückzugewinnen. Der erste Gesetzentwurf war tatsächlich so schlecht – „fehlende Technologieoffenheit“ als ein Stichwort -, dass es zurecht einen massiven Aufschrei gab. Dass dieser Entwurf letztlich aber nicht der war, der beschlossen wurde, ist in der Aufregung rund um das Gesetz gar nicht mehr wahrgenommen worden. So wurde enorm viel Porzellan zerschlagen, das Vertrauen ist weg. Das Gesetz ist zweitens auch ein Beispiel für die Kleinteiligkeit politischer Regelungen: Viele Dinge werden bis ins Detail hinein reguliert, gerade auch bei der Förderung. Im Ergebnis blickt am Ende keiner mehr durch. Der Handwerker ist ja Handwerker und kein Förderberater. Dann gibt es auch noch den Energieberater dazu, und so wird es noch komplizierter und kleinteiliger. Und das Gesetz hat drittens gezeigt, dass die bloße Einstellung, etwas für den Klimaschutz tun zu wollen, nicht ausreicht. Es braucht einen funktionierenden Plan. Und der fehlt hier. Haben wir es am Ende am Bau übertrieben mit Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Normenchaos und die Kosten all dessen aus den Augen verloren? Dittrich: Leider ist das so. Bleiben wir bei der Wärmepumpe. Würde der Strom stabil preiswert sein, würde sich die Wärmepumpe leicht und von allein durchsetzen. Förderung wäre nicht nötig. Wir haben aber im Stromsektor etwa beim Ausbau der Verteilnetze massiven Nachholbedarf. Es ist nicht mehr genügend Marktwirtschaft dabei. Als Folge sehen wir es aktuell: Der Markt bricht zusammen. Bitte erklären Sie uns noch einmal, warum bei steigender Nachfrage nach Wohnraum und gleichzeitig steigenden Mieten nicht gebaut wird? Dittrich: Das Problem hier ist, dass es nicht nach den Spielregeln der sozialen Marktwirtschaft läuft. Der Staat hat im Wohnungsbau ganz viele Dinge auf einen Bestellzettel geschrieben: Klima- und ökologische, aber auch soziale Bedingungen, die eingehalten werden müssen, wenn ein Haus gebaut wird - beim Arbeitsschutz, bei den Arbeitszeiten, Mindestlöhnen, beim Brand- und Schallschutz. Damit sind höhere Baukosten verbunden. Und das schlägt sich dann oft in höheren Mieten nieder. Was macht der Staat? Eine Mietpreisbremse. Doch warum sollte jemand Geld investieren, wenn er über die Miete nicht die notwendige Rendite erwirtschaften kann? Das “Der Handwerksmeister ist nicht das Problem.” Was läuft schief in der deutschen Bauwirtschaft? Überall zu wenig Wohnraum, zu hohe Mieten und trotzdem bricht die Bautätigkeit weg. DachNews traf Jörg Dittrich, den Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), zum Exklusiv-Interview. Das Besondere: Dittrich ist selbst Dachdeckermeister mit eigenem Betrieb und kennt die Lage am Dach bestens. Soziale hat also eine so hohe Gewichtung bekommen, dass die Marktwirtschaft nicht mehr funktioniert. In der DDR hat man das auch schon mal so versucht. Da war die Miete bei 20 Pfennig, aber so haben die Wohnungen auch ausgesehen. Sind die Handwerkerlöhne und Renditen vielleicht auch zu happig? Dittrich: Die Risiken und der Verantwortung, die Selbstständige haben, rechtfertigen auch eine adäquate Rendite. Wenn die Preise im Handwerk zu hoch wären, wäre auch die Marge zu hoch. Wenn das tatsächlich so wäre, würden sich doch vermutlich alle als Elektriker oder Dachdecker selbstständig machen. Ich behaupte, dass das nicht der Fall ist. Eine Marge im Handwerk, die bei 7, 10 oder 11 Prozent liegt, ist vollkommen gerechtfertigt. Dax-Konzerne feiern sich auch für ihre Renditen und geben dann Ausschüttungen an ihre Aktionäre. Also dass der Handwerker an hohen Preisen schuld ist, weil er den Hals nicht voll genug bekommt, würde ich vehement zurückweisen. Sie müssen auch betrachten, wie Ausbildungsvergütungen und Löhne im Handwerk gestiegen sind. Der Handwerksmeister ist nicht das Problem in der Kette. Aber vielleicht die fehlenden Auszubildenden. Wie kommt mehr Nachwuchs? Dittrich: Wir haben im Handwerk den großen Vorteil, Sicherheit bieten zu können. KI macht es für viele Berufsbilder unsicher, ob sie in Zukunft noch bestehen werden. Menschen schauen aber nach Sicherheit. Im Handwerk können wir mit einer sicheren Zukunftsperspektive werben. Unsere Berufsbilder sind durch KI und Digitalisierung nicht bedroht wie in anderen Wirtschaftsbereichen. Im Handwerk arbeiten wir mit KI und Digitalisierung, aber unsere Berufe werden absehbar nicht dadurch ersetzt werden. Das müssen wir auch so kommunizieren. Und: Bei vielen Berufen, beispielsweise Elektriker, SHK und Dachdecker Jörg Dittrich ist 55 Jahre und Dachdeckermeister aus Dresden. Neben dem Dachdeckermeister hat er berufsbegleitend ein Fernstudium als Bauingenieur abgeschlossen. Mit 28 Jahren übernahm er den 1905 von seinem Urgroßvater gegründeten Familienbetrieb in vierter Generation. Heute leitet er diesen mit seiner Frau und seinem Neffen. Der Betrieb hat mehr als 100 Mitarbeiter und hat sogar in der DDR überlebt. Dittrich ist Präsident der Handwerkskammer Dresden und seit Januar 2023 Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Als solcher ist er Sprecher gegenüber der Politik für 5,6 Millionen Beschäftigte im Handwerk in rund 1 Million Betrieben. Privat ist er verheiratet und hat sechs Kinder. Mehr Infos: www.zdh.de und www.dachschaden.de Ursprüngliches Vorhaben der Bundesregierung war es, 400.000 neue Wohneinheiten jedes Jahr fertig zu stellen. Davon sind und waren wir weit entfernt. Im vergangenen Jahr waren es gerade einmal 294.000. Und das Wohnungsbaufiasko geht weiter. Im Juni genehmigten die Behörden 17.626 Wohnungen, 19 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Im ersten Halbjahr sind gerade einmal 106.654 Genehmigungen erteilt worden. So ein schlechtes Niveau gab es zuletzt vor gut 10 Jahren. Und es ist ein kontinuierlicher Rückgang seit nunmehr 26 Monaten. Der Monatsdurchschnitt im ersten Halbjahr liegt bei ca. 17.800 genehmigten Wohnungen, im ersten Halbjahr 2021 waren es noch ca. 31.600 Wohnungen. Eine Verschärfung am Mietwohnungsmarkt ist mit diesen Genehmigungszahlen vorprogrammiert. Eine Entschärfung der Situation soll im kommenden Jahr ein neues Gesetz zum Gebäudetyp E bringen. Das steht für einfaches Bauen. Bauvorschriften sollen hier im Sinne sinkender Baukosten vereinfacht werden. Hintergrund Bau-Konjunktur Zur Person haben wir steigende Lehrlingszahlen. Ich denke, wir müssen uns aber noch eine ganz andere Frage derzeit stellen: Warum steigt die Arbeitslosigkeit, aber gleichzeitig wird der Fachkräftebedarf größer? Müssen wir zu einfacherem Bauen zurückkehren? Im kommenden Jahr ist mit dem Gebäudetyp E ein vereinfachter Bautyp geplant, um Kosten zu sparen. Dittrich: Das ist definitiv ein wichtiger Schritt. Das Problem bei Gebäudetyp E ist aber, ob er in unserer juristischen Landschaft überhaupt funktioniert. Es stellt sich die Frage, wie sich die Rechte der Mieter bei geringeren Bauanforderungen juristisch auswirken. Und was passiert beim Verkauf dieser Gebäude? Sind sich die Käufer im Klaren darüber, dass sie geminderte Anforderungen in ihrem Gebäude haben? Kommen dann im Nachhinein Haftungsrisiken für Verkäufer, Bauherren oder gar Handwerker? Reichen dann z. B. 10 cm Dämmung am Dach für den Schallschutz? Was das Bundesverfassungsgericht vielleicht eines Tages dazu entscheidet, ist noch offen. Juristisch ist also noch vieles im Unklaren beim Gebäudetyp E. Wie wird 2025 fürs Dachhandwerk? Dittrich: Die Aussicht ist nicht so besonders rosig. Uns droht gesamtwirtschaftlich eine weitere Rezession: Und das hat Auswirkungen auch auf unser Gewerk. Ich hoffe, es wird nicht ein verlorenes Jahr durch einen Dauerwahlkampf bis zum Wahltermin im September 2025. Der Anschub für das Erstarken der Wirtschaft und auch der Bauwirtschaft muss maßgeblich aus der Politik kommen. Die Maßnahmen der Wachstumsinitiative müssen umgesetzt werden. Aber als Mutmacher: Das Dachdeckerhandwerk hat immer die Flexibilität bewiesen, mit Krisen umzugehen. Es wird wieder Wachstum in unserer Branche geben. Bis dahin müssen wir die Zeit nutzen, uns zu hinterfragen und besser aufzustellen. Unsere Anpassungsfähigkeit ist unser großer Vorteil. “Jetzt ist die Zeit, eigene Prozesse zu betrachten und zu verbessern. Wenn der Markt gut ist, ist es schwer sich dafür zu motivieren. Wie ein Sportler, der plötzlich verliert, muss man sein Training anpassen.”

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