7 BAUEN IN ZUKUNFT 6 Wir erleben die Zukunft der Baubranche in Dresden in der Einsteinstraße 12 am FritzFörster-Platz. Der 220 Quadratmeter große CUBE hat eine Länge von 24,4 Metern, Flügel mit jeweils 7,9 Metern und eine maximale Höhe von 7 Metern. Das Gebäude besteht aus zwei Teilen - der quaderförmigen BOX und dem Dach-Wand-TWIST. „Mit dem Bau der zweigeschossigen BOX aus Fertigteilwänden wurde bewiesen, dass eine wirtschaftliche und massentaugliche Bauweise mit Carbonbeton möglich ist“, so Marén Kupke. „Der freigeformte TWIST veranschaulicht den flexiblen Textilcharakter der Betonfasern und veranschaulicht, dass Carbonbeton in fast jede beliebige Form gebracht werden kann.“ Die AIB - Architekten Ingenieure Bautzen betreuten als Generalplaner das Projekt sowohl in der Forschung als auch in der Umsetzung. Betonbauen muss neu gedacht werden Die Betonbauteile im ersten Carbonbetongebäude der Welt kommen nicht nur ohne Stahl aus, für sie gab es auch keine Erfahrungen, Standards und Kennwerte. Alles ist neu, alles ist erstmalig, alle Schritte, jedes Produkt und die Verarbeitung wurden von den Forschern mit den Beteiligten, Herstellern und Verarbeitern, immer wieder besprochen. Über Jahre wurde geplant und Expertisen eingeholt. „Die technische und technologische Umsetzbarkeit der Komponenten wurde baupraktisch herausgearbeitet und überprüft. Dazu fertigten die Projektpartner Probekörper an, testeten verschiedene Betonmischungen, Herstellungsverfahren, Abdichtungs- und Dämmmaterialien und deren Zusammenwirken, auch noch während der Umsetzung“, fasst Architektin Kupke das Projekt zusammen. Anfang 2019 wurde Dachspezialist Bauder zur Abdichtung angefragt. Bauder Anwendungstechniker Hartmut Spiegel war sofort begeistert von der Bauart mit Carbonbewehrung statt Stahl. „Es war sehr spannend“, erinnert er sich an die Versuche zum Carbonbetongebäude. „Wir sollten einen Vorschlag machen, welche Möglichkeiten bestehen, um die Tragschale abzudichten.“ Versuche fanden im April 2019 in der Entwicklungsabteilung des Instituts für Betonbau an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, HTWK Leipzig an einem Carbonbeton-Muster von einem Meter mal einem Meter mit Glasfaserstäben für die Verbindung von Trag- und Wetterschale statt, das der Anwendungstechniker mit dem BauderLIQUITEC PU System abdichtete. 2021 kam das Haus zur Ausführung und Bauder war mit dem einkomponentigen BauderLIQUITEC PU dabei. Das Flüssigkunststoff-System auf Polyurethan-Basis war als gut und sicher angekommen. „Unsere alkalibeständige, UV-stabile, lösungsmittel- und schadstofffreie Flüssigabdichtung lässt sich einfach anwenden und mit vielen Abdichtungen kombinieren“, so Spiegel. Von der Senkrechten in die Waagerechte und zurück Der Labortrakt BOX und der Präsentationsraum werden durch zwei etwa 30 m lange, verdrehte Wand-Dachelemente eingehaust, deren Breite beziehungsweise Höhe zwischen 4,0 m und 7,2 m variiert. Diese mehrschichtige TWIST-Konstruktion besteht aus einer Tragschale, einer Dicht- und Dämmschicht und einer Wetterschale. Beide Schalen wurden von Hentschke Bau im Betonspritzverfahren ausgeführt. Als die Twistelemente der Tragschale ausgeschalt wurden, zeigten sich die kurvenreichen Möglichkeiten der flexiblen Carbonbewehrung in ihrer ganzen Ästhetik. „Erste Überlegungen, die Tragschale komplett mit Flüssigkunststoff abzudichten, wurden verworfen“, so Jürgen Scholz, der mit der SKD Bau als Nachunternehmer von Hentschke Bau für die Abdichtung verantwortlich war. Der Vorschlag, eine hochwertige vliesbeschichtete, kaltselbstklebende Elastomer-Bitumenbahn mit besonders sicherem Nahtverschluss in den Flächen zu verlegen, kam gut an. „Wir arbeiten sehr gerne und fast ausschließlich mit Bauder. Bauder hat sehr gute Produkte und Dachsysteme in großer Vielfalt, sodass immer das Passende da ist. Vor allem aber werden wir zuverlässig zu jeder Zeit betreut.“ Auch für die Twistabdichtung waren Bauder Fachberater Sven Sabisch und Bauder Anwendungstechniker Hartmut Spiegel sehr oft vor Ort, alles wurde genau besprochen, in der Planung und baubegleitend. „Das war für uns alle eine Herausforderung und natürlich sehr interessant, Teil dieses einzigartigen Pionierprojekts zu sein“, sind sich die Dachexperten einig. In Abstimmung mit den bauüberwachenden Kollegen der AIB GmbH wählten sie die Abdichtungsprodukte BauderTEC KSA VL 35 und BauderLIQUITEC PU für die schwierigen Geometrien des TWISTS. Hochwertige Abdichtung Zunächst grundierten die SKD-Mitarbeiter die Tragschale mit Bauder Bitumenvoranstrich, um Staub zu binden und bestmögliche Haftung zwischen dem neuen Beton und der darüber liegenden Abdichtungsschicht zu schaffen. Dann wurden die Bahnen nach Bedarf ausgerollt, ausgerichtet, abgeschnitten und nach dem Abziehen der unterseitigen Folie mit dem Untergrund verklebt. „Die leichte BauderTEC KSA war eine große Hilfe, vor allem bei der Verlegung in den schwierigen Bereichen. Die starke Klebekraft der Kaltselbstklebemasse sorgte sofort für eine sichere Verbindung“, so das SKD-Team. Bei sehr niedrigen Temperaturen und in besonders schwierigen Bereichen half leichtes Anwärmen der Masse, damit sich die starke Klebekraft sofort voll entfalten konnte. „Wir arbeiten sehr gerne mit der Bahn und ohne die hydrophobierte Vliesdeckschicht der BauderTEC KSA VL 35 wäre das Dach nicht begehbar gewesen.“ Dort wo die Radien zu eng und zu steil für die Bahn wurden, war große Flexibilität von Verarbeitern und Material gefordert: „In engen Kurven haben wir die 1 m breite BauderTEC KSA in Abschnitten auf 50 cm halbiert, damit sie den Krümmungen besser folgen kann. Stück für Stück wurde die Bahn angeklebt und im Nahtbereich sicher verschweißt“, erinnert sich der SKD-Chef. „Teilweise mussten wir in den Steilkurven von der Hebebühne aus mit dem Schweißbrenner arbeiten, eine enorme Leistung unserer Mitarbeiter.“ Die Abdichtung wurde zudem kräftig erschwert durch 1.000 Carbonstäbe, die zur Verbindung von Trag- und Wetterschale entsprechend der Windsogberechnung in der Tragschale einbetoniert waren. Nach dem Auslegen der Abdichtungsbahn bekam jeder einzelne Stab seine Einschnitte und eine Manschette übergestülpt, die auf der Unterlage verschweißt wurde. „Die Tragschale sah aus wie ein großer Igel“, so Jürgen Scholz. „Je nach Belastung stehen die Carbonstäbe in engeren oder weiteren Abständen. An den Rändern, wo die Windlasten höher sind, waren sie zum Teil so eng gesetzt, dass zwei Manschetten überlappten. Hier wurde dann kleinteilig mit BauderLIQUITEC PU gearbeitet.“ Einkomponentiger Flüssigkunststoff Überall dort, wo eine Abdichtung mit der Bahn nicht mehr möglich war, wurde Flüssigkunststoff eingesetzt. Alle An- und Abschlüsse der Abdichtungsbahnen, so z. B. die Randbereiche, wurden sorgfältig mit Flüssigkunststoff abgedichtet. Für die Anschlüsse an das Lichtband im Dachfirst und an die Fassade war ebenfalls eine dauerhafte Eindichtung mit Flüssigkunststoff die Lösung. „Gott sei Dank kann das einkomponentige BauderLIQUITEC PU ohne Anmischen direkt aus dem Eimer verarbeitet werden“, gefiel den Dachhandwerkern der Einsatz des gut bekannten Materials. Das hat so manche Arbeit vereinfacht und jede Vereinfachung war bei der schwierigen DachWand-Konstruktion willkommen. Der Aufbau aus verschiedenen Schichten verursachte leichte Unterschiede in der Gesamtdicke des TWIST-Bauteils, wodurch sich an manchen Stellen Anschlussschwierigkeiten ergaben. Diese konnten von der SKD Bau mit dem Abdichtungsmaterial bestens gelöst werden. Nach dem Verlegen der Dämmschicht wurde von Hentschke die Wetterschale mit höchster Maßgenauigkeit eingepasst. Dünner, leichter, langlebiger: Carbonbeton gilt als Baustoff der Zukunft. In Dresden steht das weltweit erste Gebäude aus dem neuen Baumaterial, der ‘Cube’. Das neue Baumaterial ermöglicht hier eine einmalige Twist-Dach-Wand-Konstruktion. Hinzu kommt ein Lichtband im Dachfirst. Da war die Abdichtung natürlich eine Herausforderung. Eine Kombination von kaltselbstklebender Elastomer-Bitumenbahn und Flüssigkunststoff kam zur Anwendung. Beton - es kommt drauf an, was man daraus macht. Der Branchenslogan ist schon lange aktuell: Bereits vor fast 2000 Jahren wurde das Pantheon in Rom mit betonartigem Material gebaut. Ende des 19. Jahrhunderts wurde für mehr Stabilität des Materials Eisen, später Stahl im Beton verbaut. Die Welt wurde immer breiter und höher bebaut; doch Stahlbeton ist kurzlebig, umweltschädlich und ressourcenintensiv: Damit der Stahl nicht korrodiert, muss er mit einer dicken Betonschicht abgedeckt werden: 1,6 Milliarden Tonnen Zement, 10 Milliarden Tonnen Gesteinskörnung und eine Milliarde Tonnen Wasser werden pro Jahr weltweit für die Entstehung neuer und die Sanierung alter Bauwerke verwendet. Allein die Herstellung des einen Anteils Zement ist für 6,5 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich, das ist ungefähr drei Mal so viel wie durch die gesamte weltweite Luftfahrt emittiert werden. Für Klima und Umwelt werden im Bauwesen seit vielen Jahren neue Möglichkeiten gesucht, zumal Stahlbeton nur eine begrenzte Lebensdauer von 40 bis 80 Jahren hat, bevor Bauwerke durch massive Bauschäden zu Sicherheitsrisiken werden können. Umweltkatastrophen, Ressourcenausbeutung und stark steigende CO2-Emissionen zwingen zum Handeln. Vor allem das Bauwesen ist mit 70 Prozent der Flächenveränderung und 50 Prozent des Energieverbrauchs weltweit in großem Ausmaß für die Umweltbelastung mitverantwortlich. Deshalb startete Deutschland das weltweit größte Bauforschungsprojekt C³ - Carbon Concrete Composite mit 160 Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft, das von 2014 bis 2021 lief. Unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach wurde an der TU Darmstadt am Institut für Massivbau Carbonbeton erforscht, entwickelt und zunehmend in der Praxis angewandt. Carbonbeton ist ein Verbundwerkstoff aus Beton und einer stab- und netzförmigen Bewehrung aus Kohlenstofffasern. Er ist besonders leicht und dabei besonders stark. Durch die viel dünneren Baukonstruktionen lassen sich bis zu 80 Prozent Material einsparen. Da Carbon nicht rostet, entfällt eine Instandsetzung und nach einer Lebensdauer von über 200 Jahren kann er recycelt und wiederverwendet werden. „Mit Carbonbeton können wir ästhetischer bauen,“ begeistert sich AIB-Architektin Dipl.Ing. Marén Kupke, die sich bereits seit über 15 Jahren mit dem Verbundstoff befasst. „Damit lassen sich enorm schlanke, hoch leistungsfähige Bauteile in praktisch jeder Form und zudem nachhaltig herstellen und auch Bauwerke klimabewusst sanieren.“ Carbonbeton: Revolution in der Baubranche Der ‘Cube’ mit Twist-Dach in Dresden: Erstes Haus aus Carbonbeton Der zweischalige Twist erhielt auf seiner Tragschale eine hochwertige, kaltselbstklebende Elastomerbitumen-Abdichtungsbahn mit besonders sicherem Nahtverschluss, die dank flexibler Verarbeitung selbst den engsten und steilsten Kurven der Form folgen konnte. Aufgrund ihrer oberseitigen Vliesdeckschicht blieb sie zudem begehbar und bildete gleichzeitig einen griffigen Untergrund für den Flüssigkunststoff. Alle Randabschlüsse der Bahnen sowie Durchdringungen und kleinteilige Flächen wurden mit Flüssigkunststoff abgedichtet, ebenso das Lichtband im Dachfirst.
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